Donnerstag, 8. Oktober 2009

Ein neuer Anfang

Null. Wie gebannt starrte er auf die Anzeige des Fahrstuhls. Sie lebten. Noch. Er atmete kräftig durch die Nase aus. Zur Beruhigung. Dann blickte er kurz auf die Kameraden neben sich, die wie er auf die Liftanzeige starrten. "Wir sitzen hier unten in der Falle und starren wie die Kaninchen auf die näher kommenden Lichter des Lastwagens," dachte er sich. Er hatte gesehen was sie in den oberen Stockwerken angerichtet haben. Er hatte solange auf die Monitore gestarrt bis die Überwachungskameras ausfielen und das schwarzweiße Rauschen auf den Monitoren ihnen weitere grausame Details ersparte . "Warum leben wir noch," dachte er sich, "es wäre doch viel einfacher, den Lauf in den Mund zu nehmen und abzudrücken." "Weil wir Soldaten sind und keine Pussies", hatte der General geantwortet, "und wir uns bis zum letzten Atemzug gegen diese Bastarde wehren werden, die das da oben angerichtet haben, Gentleman." Überzeugende Worte klingen anders, ohne nervöses Flackern in den Augen, ohne regelmäßiges Zucken der Augenlider. Sie hatten alle das Blutbad gesehen, wie die Dinger durch die MG-Salven spazierten als wären es Regentropfen, wie Handgranaten auf ihnen ohne Wirkung explodierten. Als würde man Wasserbomben auf sie werfen. Sie gingen einfach weiter, weiter auf die zurückweichenden Soldaten zu, die durch die zurückfliegenden Kugeln zerfetzt wurden. "Glückspilze," dachte er sich, "mit ihnen spielten sie wenigsten nicht mehr."

Minus Eins. Der Lift war ein Stockwerk tiefer gesunken. Das Rattern von MGs war zu hören. "Das ist so sinnlos," dachte er sich. Ein anderer Gedanke schob sich in seinen Kopf. "Vielleicht begingen sie so Selbstmord, bevor man auch mit ihnen spielte." Gespenstische Stille herrschte, als der letzte Schuss verklungen war. "Vielleicht hatten sie Glück, vielleicht sind sie schon tot." Ein Serie fast unmenschlicher gequälter Schreie belehrte ihn eines Besseren. "Zeit zum Spielen," dachte er sich. Gemurmel wurde laut, er betrachtete seine Kameraden. Einige beteten. "Idioten," dachte er sich, "wenn Gott allmächtig ist, dann sind die Dinger auch Geschöpfe Gottes und er hat sie gesandt um hier aufzuräumen." Andere starrten mit ausdruckslosen Gesicht auf die Aufzugtür. Ein Rekrut saß in der Ecke, seine MG wie ein Kuscheltier umklammert, sein Blick war leer. Er schlug den Hinterkopf in regelmäßigen Rhythmus gegen die Wände. Erst an die rechte Wand, dann an die linke. "Leutnant," befahl er seinen Nachbarn. "Vater unser im Himmel," der Leutnant reagierte nicht. "LEUTNANT!!," er schrie seinen Nachbarn an. "Geheiligt werde dein Name, dein Reich ähm ja Hauptmann?" "Schön dass hier noch nicht alle ihren Verstand verloren haben und einige noch auf Ansprache reagieren. Nehmen sie dem Rekruten an der Wand das MG ab." Der Leutnant schaute in die Ecke aus der regelmäßige Klonk kam. "Sofort." Der Leutnant sicherte seine Waffe und stand hinter seiner provisorischen Barrikade, ein Schreibtisch aus Pressspanholz, auf und eilte zu dem Rekruten. Er musste ihn bewusstlos schlagen, damit er die Waffe aus den verkrampften Armen bergen konnte und kam an seinen Platz hinter den Schreibtisch zurück. "Warum haben sie das befohlen?" fragte er. "Ich will mich selbst durch einen Querschläger erschießen und nicht von einen wahnsinnigen Rekruten erschossen werden, Leutnant." "Ich verstehe." Er nahm seine Deckung wieder ein, entsicherte das MG und zielte damit wieder auf die Lifttür. "Vater unser im Himmel." "Leutnant!" "Was ist denn noch?", fragte er. "Hören sie auf den Bastard anzubeten, der uns diese Kreaturen gesandt hat." Der Leutnant nickte knapp. Falls er immer noch betete, dann zumindest leise.

Minus Zwei. Nur noch zwei Stockwerke lagen zwischen den Soldaten und den Kreaturen. Die Szenerie wiederholte sich. Erst Schüsse, dann gespenstische Ruhe und dann hallten unmenschliche Schmerzensschreie durch die Stockwerke des Bunkers und brachten sein Blut zum gefrieren. Er schloss die Augen. Sofort sah er wieder die Bilder der Monitore, die sich unauslöschlich in sein Gehirn gebrannt hatten. Was sie mit Leutnant, wie hieß sie gleich nochmal- Er überlegte. "Schneider," fiel es ihn wieder ein. - gemacht hatten. Er kannte sie nicht sonderlich gut. Sie waren ein paar mal beim Mittagessen am gleichen Tisch gesessen und hatten sich ein wenig unterhalten. "Sie liebte klassische Musik und alte Horrorfilme. Welch bittere Ironie, dass sie wie bei einem Slashermovie starb," dachte er. Er öffnete wieder die Augen. Die Schreie waren verklungen. Gleich würde der Lift wieder ein Stockwerk tiefer fahren und Tod und Verderben über das Personal dort bringen.

Minus Drei. Geratter von Maschinenpistolen, Explosionen von Granaten, danach Ruhe und dann wieder Schreie. Er konnte sich nicht einfach durch Querschläger erschießen. Dafür sind schon zu viele seiner Kameraden gestorben. Nein, er würde kämpfen. Vielleicht gelang es ihn ja, die Schwachstelle zu finden und es diesen Bastarden heimzuzahlen. "Du verlierst langsam den Verstand," sprach eine ruhige nüchterne Stimme in seinen Kopf, "du wirst sterben wie alle anderen und dann werden sie diese Welt überrennen und es ist aus mit der Krone der Schöpfung, der Menschheit." Er schüttelte seinen Kopf, die Stimme verstummte. Er lächelte hart. "In meinen letzten Minuten werde ich auch noch wahnsinnig," dachte. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Bei der Armee studieren, dann ein paar Jahre Dienst absitzen und dann als erfolgreicher Zivilist mit 90 und vielen Enkeln sterben. Und nicht mit 25 von Alienmonster zerissen werden. "Wie das Schicksal so spielt," dachte er bitter. Die Schreie verstummten. Nur noch ein Stockwerk und dann war sein Leben beendet.

Minus Vier. Er achtete gar nicht mehr auf die Geräusche der Vernichtung über sich. Auch wenn sie lauter als vorher waren und teilweise der Putz von der Decke in sein Gesicht rieselte. Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen und war vollkommen ruhig. Er schaute auf seine Hand. Sie zitterte nicht. "Faszinierend," dachte er sich," ich habe mir diesen Augenblick immer anders vorgestellt. Ein Lächeln erschien in seinen Gesicht als er kurz aufstand,sich streckte und den Staub aus seinen Gesicht wischte. Sein Nachbar blickte ihn verwirrt an. Angstschweiß lief in Strömen sein Gesicht hinab. "Ich musste mich kurz streckten. Wenn wir schon diese Bastarde in den Arsch treten, dann soll kein Krampf den Sieg verhindern." Das Gesicht seines Nachbarn sprach Bände. Jetzt ist er vollkommen durchgedreht, stand in großen Lettern dort zu lesen. Er kniete sich bequem hin drückte sein Gewehr in die Schultern und legte den Lauf auf die Tischkante. "Sollen sie nur kommen," dachte er. Er entsicherte die Waffen und legte seinen Zeigefinger auf den Abzug. Dann visierte er die Lifttür. Die Schreie und der Lärm ein Stock über ihnen verstummte. Gleich würde die die Show hier beginnen.

Minus fünf. Ein überlautes Ding ertönte, als sie der Lift erreichte. Überlaut, weil sie die Luft anhielten während sich die Lifttür rumpelnd öffnete. Ohrenbetäubendes Geratter lag in der Luft als ihre abgefeuerten Kugeln die Lifttür durchlöcherten und Querschläger durch den Raum jaulten. Ein Soldat, noch keine 25 Jahre alt, wurde am Kopf getroffen und sank langsam in sich zusammen. Seine überrascht schauenden Augen brachen bevor sein Kopf am Boden aufschlug und sein dunkles rotes Blut eine Pfütze auf dem Boden bildete. Er gab das Zeichen zum Feuer einstellen und erstaunlicherweise wurde es befolgt. Die Lifttür ging vollkommen auf, aber dahinter war überraschenderweise keines der Wesen. Es gab nur wabernde Schwärze an der Stelle an der sich die Kabine befinden sollte. "Nicht schießen solange nichts raus kommt und selbst wenn nicht alle, sondern nur einer. Ich will wissen ob wir sie verletzten können, bevor sie komplett hier sind," sagte er. Das Wabern verdichtete sich zu einem stillstehenden Punkt absoluter Schwärze, der langsam auf die Größe eines menschlichen Kopfes anschwoll und in der Mitte der Lifttür schwebte. Etwas schob von außen gegen den Punkt und stülpte ihn in den Raum hinein. Das Schwarz wurde immer heller und schließlich grau. Mit einer Mischung aus Angst und Faszination starrten die Soldaten weiterhin auf die Ausstülpung, die nun weiß wurde, weiter ausblich und am Ende durchsichtig war. Ein armdicker Tentakel war darin zu sehen, der sich langsam von der durchsichtigen Masse geschützt in den Raum hinein schon. "Wir werden also von Space Kalamare ausgerottet," meinte einer der Soldaten trocken. Ein anderer musste Lachen. "Also ich hab keine Pizza Frutti di Mare bestellt. Sonst einer?" Allgemeines Verneinen. "Gut, dann schauen wir doch mal, wie wir Mr Spaceoktopus wieder nach Hause schicken können. Müller, wenn sich das Ding weiter rausschiebt, dann flimmert die Hülle leicht. Ich will, dass sie während des Flimmerns einen Schuss abgeben." Der Schuss flog als Querschläger gegen die Decke und blieb dann im Boden Stecken. "Gut, vielleicht sind wir auch einfach zu schnell. Wie bei Wasser." Er stand auf und ging langsam auf die flimmernde Wand zu. Als er direkt davor stand wirkte sie nicht mehr ganz so dunkel sondern halbtransparent. "Na, hast du Angst, weil wir nicht auf dich schießen und du deswegen nicht geschützt hier raus kannst? Aber vielleicht kann ich ja zu dir rein." Er drückte seinen Gewehrlauf auf das Flimmern. Es fühlte sich an als würde er gegen Gummi drücken. Er nahm Druck weg und schob das Gewehr unendlich langsam gegen Wand hinter der mehrere albtraumhafte Kreuzungen zwischen Kalamri und Humanoiden standen. Er nahm noch mehr Druck raus und plötzlich hatte er das Gefühl nicht mehr gegen etwas, sondern durch eine zähflüssige Masse zu drücken. "Ok, nur nicht zu früh schießen, sonst explodiert dir die Kugel im Lauf." Auf der anderen Seite kam Leben in die Wesen. Sie wirkten hektisch. "Na damit habt ihr wohl nicht gerechnet, nachdem ihr ET gekillt habt, kommt ET zu euch und macht das gleiche." Plötzlich war er durch die Hülle durch, ein Lächeln lag auf seinen Lippen. "Richte deinem Schöpfer einen schönen Gruß aus Sushi," sagte er als eines der Wesen vor seinem Lauf stand und es von Kugeln zerfetzt wurde. Fast panisch schienen die Wesen etwas auszuführen, während er unendlich langsam seinen Gewehrlauf auf eines der anderen Wesen richtete und andere Soldaten ebenfalls zur Barriere liefen und ihre Gewehre vorsichtig durchdrückten. Plötzlich ein heller Lichtblitz. Als sie wieder etwas sahen, war vor ihnen die Liftkabine. Ihre Gewehrläufe waren sauber an den Stellen an denen sie die Barriere durchdrangen abgeschnitten. Es dauerte einen Moment bis sie begriffen. Sie lebten und was viel wichtiger war, sie hatten eine Möglichkeit gefunden um sie aufzuhalten. Jubel brach aus. Jetzt konnten sie wieder beruhigt in die Zukunft blicken. Ein neuer Anfang für die Menschheit war möglich.

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